Artikel – Abhängigkeit als Krücke in dem Magazin- Gesunde Seiten

Sucht als Krücke

Warum geraten Kinder und Jugendliche in die Sucht?

Es gibt nicht „den einen Grund“, warum jemand süchtig wird. Es wirken immer verschiedene Aspekte zusammen. Die Frage nach Schuld lasse ich bewusst beiseite, denn die Schuldfrage führt zu keiner Lösung. Es geht um das Bewußtwerden der Gefühle und Bedürfnisse, warum ein Mensch sich selbst in einen ständigen Rauschzustand bringen möchte. Das unabweisbare Verlagen eines Erlebniszustandes, das zur Sucht führt, gliedert sich in drei Rausch-Zustände: Betäuben, Schmerzen lindern und euphorisieren. Entscheidend ist, dass der Süchtige den klaren Zustand im Hier und Jetzt nicht aushält. Die Selbstverantwortung wird an das Rauschmittel abgegeben und die Süchtigen gehen von einer Selbstbestimmtheit in die Fremdbestimmtheit. Menschen mit einem klaren Bewusstsein und starkem Selbstwertgefühl sind in der Lage, “Nein“ zu sagen zu illegalen und zu legalen Suchtmitteln. Ein gewisses Maß an Aufklärung, also Suchtprävention, kann bei den meisten Erwachsenen vorausgesetzt werden mit einem Grundverständnis, wie Drogen wirken und was nach dem ersten Konsum passiert. Meistens geschieht der Erstkontakt aber in frühen Jahren des Heranwachsens mit ca. 13-16 Jahren. In einer sehr wichtigen Prägephase für die eigene Persönlichkeit. Die wenigsten Abhängigen starten ihre „Drogenkarriere“ im Erwachsenenalter.
Um ein drogenfreies Leben zu führen sind natürlich viele Aspekte von Bedeutung. Bewegt sich jemand in einem stabilen sozialen Umfeld? Ich habe bei vielen Gesprächen mit Süchtigen und deren Eltern festgestellt, dass sie häufig eine Summe fehlendender Kernkompetenzen verspüren. Diese Kompetenzen liegen im „Außen“ und in der inneren Gefühlswelt. Beispiele für von Aussen mangelnde Kompetenzen sind Struktur, Ordnung und ein fehlendes positives Vorbild . Auch mangelnde Fürsorge in der Familie sowie Gewalt- und Missbrauchserfahrungen können dazu führen, dass man das Erlebte verdrängen möchte und anfällig ist für Sucht. Suchtmittel werden dann instrumentalisiert, um sich zu betäuben. Der Schlüssel zu einer emotionalen Intelligenz und Selbstbestimmtheit liegt nach meiner Erfahrung in klar erkannten und gesunden inneren Gefühlswelten, die für jeden Menschen anders aussehen. Defizite im Selbstwertgefühl und somit Selbstbewusstsein lassen Betroffene nicht stark genug sein um die persönlichen Herausforderungen im Leben zu lösen. Es fehlt das Wissen, der Respekt (vor Drogen) und die innere Kraft, zu Drogen Nein sagen zu können. Durch z.B. Anerkennung in der Jugend-Gruppe wird oftmals die erste Rauscherfahrung, der erste Joint als positives Gefühl abgespeichert. Frei von den Sorgen und Erwartungen des Erwachsenwerdens. Das Zugehörigkeitsgefühl in einer „Peer- Group“ mit seiner „Leichtigkeit und Entspannung“ wird dann fälschlicherweise den Betäubungsmitteln zugeordnet. Wir Menschen brauchen geeignete positive Vorbilder in der Familie und in unserem Leben. Denn oftmals übernimmt das Kind einfach das Suchtverhalten eines Elternteils.
In meiner langjährigen Präventionsarbeit habe ich aus den vielen Geschichten und aus den unzähligen Erzählungen von Eltern diverse Muster erkannt und heraus gehört.

Ein weiterer Aspekt der heutigen Zeit sind Helikoptereltern/Helikoptermütter. Grundsätzlich ist es wichtig festzuhalten, dass die bedingungslose Liebe der Elter das schönste ist, was jungen Menschen gegeben werden kann. Andererseits ist die „Überschüttung mit Liebe“ meist verbunden mit Überschüttung mit Angst und Sorge der Mutter.
Viele Eltern bestimmen über das Kind hinweg und das Kind darf nicht „ich selbst sein“. Kinder werden gezwungen, die Vorstellungen der Eltern zu Leben und können sich somit selbst nicht entfalten. Die Persönlichkeit wird in ein Gefängnis gesperrt. Das Kind kann oft gar nichts selbstbestimmt tun und lassen. Alles wird ihm abgenommen und das Kind wird zu einer gewissen Unselbstständigkeit erzogen. Das beginnt bei den einfachsten Entscheidungen und geht bis hin zum Partner- oder Berufswunsch. Das Kind/der Jugendliche entwickelt kein Vertrauen zu seinen eigenen Entscheidungen und entwickelt auch keine eigenen Ideen für sein Leben, Handeln und Wirken. Beispielsweise suchen Jungen nach einem führenden, starken männlichen Vorbild, werden aber von einer überforderten und vielleicht auch alleinerziehenden, ängstlichen Mutter behütet. Immer in dem Willen, das beste für das Kind zu tun. Diese „Helikoptermütter“ versuchen voller Sorge alles richtigzumachen aber scheitert an ihren eigenen Ängsten. Das fehlende Vertrauen der Mütter in die Entscheidungen der Kinder überträgt sich auf die Kinder und jungen Erwachsenen als Selbstwahrnehmung – Die Mutter hat das Gefühl, das Kind kommt nicht klar und macht dem Heranwachsenden Druck in vielen Lebensentscheidungen. Druck erzeugt Gegendruck und die Beziehungsebene wird zerstört durch Unterstellungen, Erwartungen, Streit oder schlicht fehlende Kommunikation- und Vertrauen.
Ein dritter Aspekt der häufig zur Sucht führt oder eine eigenen Dynamik bekommt ist die Sinnfreiheit und Langeweile. Ein Mensch ohne Träume und Ziele ist anfällig für die künstlich durch Drogen erzeugten, temporären Glücksgefühle.
Wir alle haben ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit und Grenzerfahrung. Wir wollen uns ausprobieren und tief in uns Sinn finden. Wir haben Sehnsucht stark zu sein und gute Gefühle zu haben und wollen durch Vorbilder inspiriert und geführt werden. Gute Gefühle sind der Schlüssel, stark zu sein und zu Sucht und Drogen Nein zu sagen. Wenn in uns ein Mangel an guten Gefühlen ist, instrumentalisieren wir „das Suchtmittel“, um die drei zentralen Wirkungsweisen für uns zu bedienen: Betäuben, Schmerzen lindern oder euphorisieren.
In vielen dieser Fälle liegen ein oder mehrere Defizite vor und schreien nach Ausgleich. Für junge Menschen sind diese Defizite am schwierigsten auszugleichen, das die innere Stärke, das Selbstwertgefühl und die Erfahrungen fehlen. Da der erste Konsum von Drogen im jungen Alter meist mit „relativ“ guten Gefühlen verknüpft ist, versucht unser Bewusstsein, dieses ersten „guten Gefühle“ immer wieder zu erzeugen und zu steigern. Die Sucht geht ihren Weg und wird zur Krücke.
Fazit: Ein gesundes und suchtfreies Leben kann ein Mensch führen, wenn die Persönlichkeit frei entfaltet werden kann. Das gesunde Selbstwertgefühl ist der Schlüssel dazu.

Über den Autor:
Mathias Wald ist neben seiner Unternehmertätigkeit Vorbild, Experte, Redner für Suchtprävention. Er erzählt authentisch seine Lebensgeschichte und berichtet glaubwürdig und ohne erhobenen Zeigefinger von den eigenen Erfahrungen. Www.mathias-wald.de

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